„Ich wollte die Welt sehen“, erklärt Sheila Mary Meffert. Vom Journalismus-Studium in Kenia zur Teilzeitausbildung als Kauffrau im Dialogmarketing in Hamburg, dem „Tor zur Welt“: Meffert hat schon viel erlebt und weiß, dass das Leben die eine oder andere Überraschung parat hält. Als sie in ihrem Heimatland Journalismus studierte, wurde ihr das Erlernen einer Fremdsprache empfohlen, um einen Vorteil bei der Jobsuche zu haben. Da bereits ihr Vater oft in Deutschland gearbeitet hatte, entschied sich die junge Kenianerin für Deutsch. Während eines Au-Pair-Jahres im Schwarzwald lernte Sheila Meffert ihren heutigen Partner aus Hamburg kennen und wurde schwanger. „Schon in der Elternzeit habe ich überlegt, was ich aus meinem Leben machen könnte“, erzählt sie. Da ihre Hochschulreife in Deutschland nicht anerkannt wurde und ihre Deutschkenntnisse als nicht ausreichend galten, konnte sie ihr Journalismus-Studium hierzulande nicht fortführen. Die junge Mutter machte sich auf die Suche nach einer Alternative, um Kind und Berufseinstieg unter einen Hut zu bekommen.
Traum vom kaufmännischen Beruf
Als ihr Kind mit einem Jahr die Kindertagesstätte besuchen konnte, fing Sheila Meffert einen Deutsch-Kurs an. Sobald sie ihr B2-Level erreichte, begann die Suche nach einem Ausbildungsplatz. „Ich wusste von Anfang an, dass ich eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich machen wollte“, berichtet sie. „Ich dachte, dass ich so die beste Möglichkeit hätte, meine Englisch-Kenntnisse zu nutzen. Nach einem Schnuppertag in einem anderen Beruf fühlte sich die Kenianerin in ihrem eigentlichen Wunsch bestätigt: „Ich habe meiner Beraterin gesagt, dass ich weiß, was ich will. Ich hatte Glück, dass ich stur war und genau wusste, was ich machen wollte.“
Eine Teilzeitausbildung war die Lösung
Als Sheila Meffert auf gängigen Internetseiten nach Ausbildungsplätzen recherchierte, stieß sie durch Zufall auf die Stellenausschreibung der Hamburger Hochbahn, die zum ersten Mal eine duale Ausbildung zur Kauffrau bzw. Kaufmann im Dialogmarketing in Teilzeit anbot. „Ich habe mich sofort angesprochen gefühlt. Damals wusste ich nicht, dass es eine Teilzeitausbildung gibt“, erinnert sich die junge Mutter. „Mein Kind war erst zwei Jahre alt und ich dachte mir, eine kaufmännische Ausbildung in Teilzeit würde gut passen – denn ich wusste nicht, wie ich eine Ausbildung in Vollzeit schaffen würde.“
Ihrem Potenzial wurde eine Chance gegeben
Nach ihrer Bewerbung wurde Sheila Meffert zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Zu dem Zeitpunkt war sie erst seit vier Jahren in Deutschland und machte sich Sorgen, wegen ihrer ausbaufähigen Sprachkenntnisse im Nachteil zu sein. „Ich musste mich fünf Mal so viel vorbereiten wie die anderen. Ich dachte, die nehmen mich überhaupt nicht“, erzählt sie. „Am Ende habe ich in meiner Präsentation gesagt, dass sie meine Fähigkeiten nicht nur nach meiner Sprache beurteilen sollen. Stattdessen sollen sie mir eine Chance geben, um zu sehen, was ich erreichen kann. Denn mein Lebenslauf war keine Hilfe: Ich hatte keine passende Vorerfahrung. Ich galt als alleinerziehende Mutter mit Kind, weil es nicht offiziell war mit meinem Freund.“ Am nächsten Tag erhielt die junge Frau den erlösenden Anruf. Als Einzige aus der Vorstellungsrunde hatte sie einen Ausbildungsplatz erhalten.
So läuft die Ausbildung in Teilzeit ab
Drei Jahre lang absolvierte die junge Mutter ihre duale Ausbildung zur Kauffrau im Dialogmarketing und schaffte den Spagat zwischen Betrieb, Berufsschule und ihrem Kind. An drei aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche arbeitete Sheila Meffert halbtags im Unternehmen, zwei weitere Tage verbrachte sie in der Berufsschule. Was viele nicht wissen: „Die Teilzeit hat nur mit den Arbeitsstunden zu tun, nicht mit den Unterrichtsstunden. Wenn man eine Teilzeitausbildung macht, heißt es nicht, dass man weniger lernt. Man arbeitet weniger, aber man hat genauso viele Unterrichtsstunden wie die, die in Vollzeit eine Ausbildung machen.“ Deshalb schloss Sheila Meffert ihre duale Ausbildung erfolgreich nach der Regelzeit von drei Jahren ab.
Kind und Karriere erfordert Organisationstalent
Als Mutter und Auszubildende hatte Sheila Meffert den Ansporn, ihre Zeit besonders gut zu planen. „Meistens hatten wir Projekte bei der Arbeit und gleichzeitig Klausuren. Ich habe oft die Abende damit verbracht, zu lernen. Und dann habe ich auch noch ein Kind, das auch mal krank wird. Das war nicht so leicht. Das ist etwas ganz Anderes als bei den Azubis ohne Kind und ohne andere Verantwortung. Man muss eben sehr diszipliniert sein“, resümiert die junge Frau. „Einer der beiden Berufsschultage endete erst spät, aber da blieb mein Kind nun mal etwas länger in der Kita. Das ist auch ohne Unterstützung machbar. Die Arbeitszeiten von 9 bis 14 Uhr waren kein Problem. Wenn man flexibler sein muss, kann man jede Situation mit der Teamleitung besprechen und alles organisieren. Wir haben immer einen Weg gefunden.“
Was machen Kaufleute im Dialogmarketing?
„Wenn die Leute Dialogmarketing hören, denken sie nur an Callcenter-Anrufe und Ähnliches. Das stimmt aber nicht. Die duale Ausbildung war sehr abwechslungsreich,“ berichtet Sheila Meffert. Ihr Ausbildungsberuf hat mit Kommunikation über alle Kanäle zu tun und daher vielfältige Aufgaben zu bieten: Weder nur Telefonieren, noch eine Beschränkung auf den direkten Kontakt mit Kundinnen und Kunden. Schriftlicher Kontakt und Kommunikation von Firma zu Firma gehören genauso dazu wie das Projektmanagement. Die junge Mutter erklärt: „Ich durfte während meiner dualen Ausbildung an drei großen Projekten – zum Beispiel zur Rückgewinnung von Kundinnen und Kunden – nicht nur teilnehmen, sondern sie selbst organisieren, durchführen und vor unseren Führungskräften präsentieren. Das hat mir erlaubt, Fähigkeiten in mir zu entdecken, von denen ich nicht wusste, dass ich sie hatte. Dadurch wurden auch mein Selbstbewusstsein und meine Sprachkenntnisse gefördert.“
Unterschiedliche Ausbildungssysteme
Das Berufsbildungssystem in Kenia mit dem in Deutschland zu vergleichen, fällt Sheila Meffert schwer. Das duale Ausbildungsmodell ist kaum bekannt und ihres Wissens nach besteht keine Möglichkeit zur Teilzeit-Lehre. Während der Ausbildung wird ein College besucht und man fokussiert sich auf die Theorie. „Nach dem Ausbildungsabschluss sind die Möglichkeiten etwas begrenzter. Es gibt nicht so viele Optionen, sich fortzubilden wie hier,“ erklärt die Kauffrau im Dialogmarketing. Deshalb sei es für ihre Verwandten in der Heimat auch schwierig, den beruflichen Bildungsweg in Deutschland zu verstehen. „Dort läuft alles ganz anders. Wenn ich das deutsche System erkläre, scheint es hier komplizierter zu sein, obwohl es einfacher ist.“
Gleichzeitig erinnert sich die Kauffrau im Dialogmarketing daran, wie sie zu Beginn ihrer dualen Ausbildung das Gefühl hatte, in der Berufsschule unterschätzt zu werden. „Ich war permanent im Kontakt mit meiner Ausbilderin und sie hat immer mein Selbstbewusstsein gestärkt. Und in der Schule habe ich eine Strategie gefunden, wie man hier lernt. Das war neu für mich, denn in Kenia lernen wir auch anders“, erzählt sie rückblickend. „Als die ersten Noten kamen, waren alle überrascht und stolz auf mich. Ich musste drei Mal so viel lernen wie die anderen, um solche Noten zu bekommen. Ich hatte ein Kind und meine Deutschkenntnisse waren sehr schlecht. Deshalb denke ich: Wenn ich das geschafft habe, dann schaffen das auch andere. Am Anfang ist es immer schwer, etwas anzufangen. Egal, was es ist. Egal, ob man muttersprachlich ist oder nicht. Es wäre für mich auch schwer gewesen, wenn ich aus Deutschland käme.“
Für die Herausforderung wurde sie belohnt
Sheila Meffert hat es jedenfalls geschafft: Noch während ihrer dualen Ausbildung wurde sie 2019 mit dem Sonderpreis für Integration im Rahmen des IHK-Wettbewerbs „Hamburgs bester Azubi“ ausgezeichnet. Nach Ausbildungsabschluss arbeitet sie in ihrer Wunschabteilung des Hamburger Verkehrsunternehmens. „Ich bin für die Bearbeitung und Durchführung von Kundenanliegen – also die schriftliche Kundenbetreuung in allen Kundenfeldern – zuständig, sowie für den Verkauf von Tickets für Großabnehmer wie Firmen und Schulen. Außerdem bin ich Ansprechpartnerin für unsere Mobilitäts-App.“ Ihr gefällt es, dass ihr Beruf nie langweilig wird. Sie mag den Umgang mit Kundinnen und Kunden und dass jeder Tag eine neue Herausforderung bietet. „Genau das wollte ich von Anfang an machen. Ich wollte Spaß an meinem Job haben, und genau das habe ich.“ Dabei ist ihr Bildungsweg noch längst nicht abgeschlossen: Im nächsten Jahr beginnt sie mit der IHK-Fortbildung zur Fachwirtin für Büro- und Projektorganisation und zeigt somit auch weiterhin, dass sich Kind und Karriere erfolgreich vereinbaren lassen.